Viele der Menschen, denen ich erzählt habe, dass ich zum 18. Geburtstag einen Gutschein zum Fallschirmspringen bekommen habe und diesen auch definitiv einlösen werde, haben auf die gleiche Art und Weise reagiert:
Es begann mit weit aufgerissen Augen, ging über quietschige Erstaungeräusche bis hin zum filmreifen Runterklappen der Kinnlade. An dieser Stelle ein dickes Dankeschön dafür, durch eure Reaktionen habe ich mich nur NOCH MEHR darauf gefreut!
Als ich dann endlich zum ersten Mal nach Bad Sassendorf zum Flugplatz fuhr mussten meine Freundin und ich leider bereits nach einigen Minuten feststellen, dass das Springen an diesem Tag wohl nicht möglich war. Eine halbe Stunde vor unserer Ankunft wurde unverhofft der Flugraum gesperrt, sodass kein Flieger, kein Springer, kein Gar nichts nach oben in die Luft durfte. Man sieht, es handelt sich bei diesem Sport nicht einfach um ein einmaliges Hinfahren, Hochfliegen und wieder Runterfallen. So viele Faktoren müssen berücksichtigt werden, sei es nun das Wetter oder nur die richtige Größe der Schutzbrille.
Beim zweiten Termin war ich dementsprechend ein wenig entspannter als zuvor. Ich wusste mittlerweile zumindest so ungefähr, was auf mich zukommen sollte, welche Leute mich empfangen und wie alles aussehen würde.
Zunächst erhielten wir eine detaillierte Erklärung über unsere Sicherheitsvorkehrungen rund um das Equipment und die ideale Haltung sowohl beim Absprung aus dem Flugzeug, als auch während des freien Falls und der Landung. Das Wichtigste, so erklärte man uns, sei unsere Haltung. Wir probten das Ganze präventiv auf dem Boden: Bauchnabel auf den Grund, Kopf, Arme und Beine in die Luft, sodass wir wie eine Salatschüssel fallen würden.
Die Trockenübungen sahen vermutlich ziemlich bescheuert aus, wie wir da alle auf dem Boden lagen und alle Viere von uns streckten, doch sollten wir bald feststellen, dass das Üben vorher seinen Zweck erfüllen würde.
Somit ging es also rein in unsere schicken quietsch gelben Fallschirmanzüge, das ausgeklügelte Knäuel namens Gurtzeug und die „Carlson vom Dach“-ähnlichen Mützchen mit Schutzbrille.
Wir waren sprungbereit.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich tatsächlich noch sehr entspannt, dachte an all die offenen Münder und ungläubig Staunenden und musste insgeheim ein wenig Grinsen. Alles halb so wild…
Im Flieger saßen wir alle auf engstem Raum zusammen auf dem Boden, vom absoluten Nichts trennten uns ein paar dünne Stahlwände und ein durchsichtiges, klapperndes Plastikrollo, das die Luke für den Sprung freigeben würde. So langsam kribbelte es ein bisschen in meiner Magengegend, Flugzeuge sind nicht gerade meine besten Freunde. Diese Ausgabe jener Spezies erweckte jedoch alles andere als das Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens in mir, doch gab es an dieser Stelle kein Zurück mehr. Somit stiegen wir stetig gen Wolken, auf eine Höhe von circa 4000 Metern.
Während des Flugs herrschte nicht etwa sowas wie angespannte Stille. Nein, Kameras wurden vor unsere Nasen gehalten, die unseren Fall ins Freie aufzeichnen sollten, unsere Tandempartner unterhielten sich mit uns, als seien wir gerade bei einem netten Kaffeekränzchen.
Schließlich öffnete sich das erwähnte Tor zur Freiheit und ich hörte nur noch an meinem Ohr den Ausruf: „Du meintest, die Romantikpackung sei nichts für dich. Fangen wir also mal direkt mit dem James Bond-mäßigen Rückwärtssalto aus dem Flieger an!!“ und ZACK, sah ich mich mit 200 km/h Richtung Erde rasen.
Ich werde immer wieder gefragt, wie es sich angefühlt hat, einfach so durch die Luft zu fallen. Das einzige, was ich mehr oder weniger sinnvoll darauf antworten kann, ist „Geil!“
Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte ich kein vergleichbares Erlebnis in meinem Leben, das diese Erfahrung annähernd beschreiben könnte. Es ist ein Gefühl grenzenloser Freiheit. So viele Eindrücke prasseln auf dich nieder, dass du erst hinterher richtig wahrnehmen kannst, was da eigentlich mit dir passiert ist. Der Wind in deinem Gesicht, an deinem ganzen Körper, der dich durch die Gegend schubst und an dir zerrt. Diese Aussicht auf eine riesige Fläche, die langsam aber stetig immer näher kommt. Das Adrenalin, das durch deine Adern schießt und das Blut in deinen Kopf treibt.
Ich weiß nicht, wie es den anderen erging, aber ich habe mich wahnsinnig gut gefühlt. Am liebsten hätte ich all der Aufregung, die sich im Flieger angestaut hatte, mit einem langen und lauten Schrei freien Lauf gelassen, aber ich muss sagen, ich hatte ein bisschen Angst, ich könnte eine Fliege verschlucken. Lacht ruhig, in solchen Momenten hat man die bescheuertsten Gedanken!
Aber wir alle wissen, alles hat ein Ende, auch der freie Fall (spätestens dann, wenn man unkontrolliert auf den Boden klatscht, aber das ist ein anderes Thema). Somit zog meine Begleitung auch schon die Leine und wir hangen ziemlich plötzlich und auch ziemlich unsanft in den Seilen.
An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass das Fallschirmspringen nicht nur positive Seiten hat. Mich hat es doch tatsächlich eine Nagelecke gekostet und mir gezeigt, was richtiger Druck auf den Ohren ist.
Während wir also, nun vom Schirm verlangsamt, Richtung Erde glitten, sorgte ich dank dem Druckausgleich dafür, dass ich beim Landen nicht aufgrund akuter Schwindelgefühle einen vorzeitigen Abgang machen würde.
Ihr erinnert euch, den Weichspülgang hatte ich dankend abgelehnt, daraufhin wurde ich in wilden kreiselnden Bewegungen durch die Luft manövriert und allmählich darauf vorbereitet, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Ein letzter Dschungel Camp-ähnlicher Survive-Blick in die Kamera und es hieß Beine anwinkeln, um sich nicht auch noch den Knöchel beim Landen zu brechen.
Meine Landung sah vermutlich genauso elegant aus, wie die Trockenübungen zur Freifallpose, aber zumindest landeten wir stehend. Ich war überwältigt, sowohl von dem Gefühl, wieder auf der Erde zu stehen und etwas Festes unter den Füßen zu haben, als auch von den vergangenen 5 Minuten.
Um noch einmal auf diejenigen zurück zu kommen, die mir eine derartige Aktion entweder nie zugetraut haben oder es für viel zu riskant hielten:
Alle „es war schön, dich kennen gelernt zu haben“- und „wir sehen uns im Himmel“-Sprüche haben mich weder davon abgehalten, noch der Wahrheit entsprochen.
Ich bedanke mich für all die Impressionen bei meinen fantastischen Sprunggefährten Peter, der mich nicht nur als Tandempartner, sondern auch mental super unterstützt und diesen Tag beim Flugplatz Bad Sassendorf zu einem besonderen Erlebnis gemacht hat. Diese Erfahrung kann ich nur jedem empfehlen, Höhenangst hin oder her, dort oben in der Luft verliert man jeglichen Bezug zu Abständen. Ich selbst würde es auch immer wieder tun, denn das einzige was zählte, war der Moment. Es war der absolute Wahnsinn!!